Martin Walde. | |||||||
DINGE — TAUSCHEN | Friederike Fast | |||||||
— Fortsetzung von Seite 1 | |||||||
Begriffe: | Mit diesem
Tauschprojekt knüpft Walde symbolisch an eine vorindustrielle Tauschwirt-schaft an,
wie sie heute sonst lediglich noch auf dem Schwarzmarkt Anwendung findet. Indem
er ein Erbstück zum Tausch anbietet, weist er zugleich auf die unklaren Grenzen zwischen
dem Geld-, Gebrauchs- und Symbolwert eines solchen Gegenstandes hin, der in |
||||||
The Tea-Set | |||||||
Seidenpapiermadonna | |||||||
Haarbälle | |||||||
Ball-Turn-Bag | |||||||
Production Limits | |||||||
PINO-INO | |||||||
Das Tauschprinzip spielt auch in anderen Arbeiten wie Seidenpapiermadonna oder Haarbälle eine zentrale Rolle. Die nackte, männliche Figur in Haarbälle– die ein bisschen an eine Renaissanceskulptur erinnert – wird auf eine Bahn aus Papier in den Raum proj-iziert. Der Mann in dem Video vollführt ein einfaches Experiment: Zeitgleich lässt er zwei Haarbälle unterschiedlicher Größe aus derselben Höhe hinabfallen, die unten zu seinen Füßen auf dem Boden auftreffen und mit unterschiedlichem Drall wieder in die Höhe schnellen. Dem sachlichen wissenschaftlichen Versuchsaufbau der Arbeit steht die Irrat-ionalität einer Untersuchung gegenüber, die auf die Materialbeschaffenheit von Haarbällen abzielt. Aufgrund dieser Irritation rückt der fragliche Zweck dieses Experiments mehr und mehr in den Hintergrund und die ästhetische Qualität des projizierten Bildes ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Eine raue Reißkante am unteren Ende des Seidenpapiers weist darauf hin, dass der Ausstellungsbesucher ein Stück der Arbeit abtrennen kann. Im selben Augenblick jedoch, in dem er dieses entwendet, wird er gewahr, dass es lediglich ein blankes Stück Seidenpapier ist, da es sich bei dem Bild von der menschlichen Figur um eine Videoprojektion handelt. Die Idee, ein materialisiertes Bild aus der Ausstellung mit nach Hause zu nehmen, läuft hier ins Leere. Bei Seidenpapiermadonna handelt es sich dagegen um eine reale Zeichnung, die von den Besuchern käufl ich erworben und mit nach Hause genommen werden kann. Das religiöse Motiv der Madonna, das in unterschied-lichen Zusammenhängen mit populären Formen der Marienverehrung einen regelrechten Tourismus generiert, ist hier als Multiple von der Rolle verfügbar. Damit spielt die Arbeit zugleich auf serielle Produktionsverhältnisse in der modernen Warenwirtschaft an und thematisiert das Verhältnis zwischen (künstlerischem) Original und Reproduktion. (3) |
|||||||
(2)Wenn auch das Tee-Service bis heute noch kein adäquates Tauschobjekt gefunden hat, so haben in der Vergangenheit Museumsbesucher doch zumindest den Künstler regelmäßig kontaktiert und z. B. Übersetzungen seines Briefes in weiteren Sprachen zugeschickt. | |||||||
(3)Auf dem Markt für aktuelle Kunst
wird die Unterscheidung zwischen
Original und Kopie zum Garant von
Knappheit und damit auch von hohen Preisen. Wenn Walde ein Multiple zu niedrigen Preisen in der Ausstellung zum Verkauf stellt, konterkariert er nicht nur einen Hype des Kunst-markts, sondern bricht zugleich mit dem unge-schriebenen Gesetz, dass Geldfragen zur Kunst in Museen diskret behandelt werden. |
|||||||
Weniger deutlich tritt das Tauschprinzip in den Arbeiten Ball-Turn-Bag und Production Limits auf, die sich formal einer ganz anderen Sprache bedienen als die zarten Madonnen-Zeichnungen: Die Basketbälle und Fimowürfel rufen durch ihre Signalfarben und Material-ität eine sinnliche Begierde im Betrachter hervor.(Fortsetzung nächste Seite) | |||||||
AutorInnen: | |||||||
Friederike Fast |