Das Museum als künstlerisches Labor | |||||||
und soziales Handlungsfeld | Roland Nachtigäller | |||||||
Begriffe: | Ein Handy klingelt, laut, ausdauernd, enervierend. Was im Alltag mittlerweile fraglos zur Normalität geworden ist, irritiert im Museum nach wie vor als in der Regel nicht akzeptierte Störung. In diesem Fall aber ist deren Verursacher nicht das Gerät einer anwesenden Person, sondern das klingelnde Mobiltelefon hängt in der Ausstellung an einem schwarzen Gummiband von der Decke, nur schwer erreichbar, mitten in einem mehr als mannshohen Drahtgewirr. Sofort stellt sich die Frage, wie man reagieren soll. Hält man sich daran, dass im Museum gemeinhin nichts berührt werden darf und wartet ab, bis das Klingeln aufhört? Reagiert vielleicht jemand vom Aufsichtspersonal? Oder ist das läutende Mobiltelefon im ›Gestrüpp‹ aus Aluminiumdraht doch eine Aufforderung zur Handlung, soll man gar den Anruf annehmen? Das aber ist nur möglich, wenn man in das Drahtgewirr hineingreift, welches erstaunlich labil und schwankend aufeinander geschichtet ist und somit diesen ›Eingriff‹ nicht völlig unverändert übersteht. Wie viel davon ist gewollt oder gestattet, als Kollateralschaden oder beabsichtigte Herausforderung? Und wenn man sich meldet, was erwartet einen dann? Stille? Eine automatische Stimme? Tatsächlich ein konkreter Gesprächspartner? »Sleeping Beauty ist die Einlösung eines Versprechens, das nie gege-ben wurde«, schrieb Martin Walde 2003 zu dieser Arbeit, »jemand will mit dir sprechen; jemand, der nicht weiß, dass es dich gibt …« |
||||||
Sleeping Beauty | |||||||
Key Spirit | |||||||
PINO-INO | |||||||
Heuhaufen | |||||||
Battle Angel | |||||||
Window Spitting | |||||||
Crazy Jane | |||||||
Bag-Turn-Brick | |||||||
Ball-Turn-Bag | |||||||
In mehrfacher Hinsicht ist diese Installation, die sich heute in der Sammlung Marta Herford befindet, ein zentrales Werk im Schaffen von Martin Walde, welches seine them-atische Breite bereits im mehrdeutigen Titel zum Ausdruck bringt. Denn es stellt sich bald die Frage, wer eigentlich diese ›schlafende Schönheit‹ ist? Das Handy als moderner Fet-isch? Die möglicherweise am Ende der Leitung wartende Person? Die roten Wachsrosen oder sogar der Drahtberg selbst? Jede dieser Möglichkeiten lässt sich aufschlussreich weiter verfolgen und führt jeweils zur einer eigenen Perspektive auf das Werk dieses so außer gewöhnlich komplex arbeitenden Künstlers. | |||||||
Waldes über viele Jahre hinweg konsequent entwickeltes Werk verdient vielleicht mehr als vieles Andere das in den 1990er Jahren so populäre Attribut des Rhizomatischen. Alles zeigt sich bei ihm mit Allem verbunden, keine Arbeit ist in sich geschlossen, sondern entw-ickelt sich in vielen Seiten zweigen und in jeder Neupräsentation weiter. Die klassischen Kategorisierungen greifen bei ihm gar nicht oder zumindest deutlich zu kurz, und es ist ebenso obsolet, bei Walde nach Werkgruppen zu trennen. Wesentlich weiter führt es da schon, eher thematische Stränge durch die Vielfalt von Installationen, Skulpturen, Zeichn-ungen, Videos und fotografische Reproduktionen ...(Fortsetzung nächste Seite) | |||||||
AutorInnen: | |||||||
Roland Nachtigäller |