Martin Walde. | |||||||
Die Lange Geschichte der Enactments | Annelie Pohlen | |||||||
Seite 9 | |||||||
Begriffe: | Dem entspricht sicher auch die sinnliche Unmittelbarkeit, die dem Medium Zeichnung ohnehin aneignet. Dazu zählt vor allem die Linie als das ursprünglichste und einfachste Instrumentarium: Ob in Wort, Text oder in der Zeichnung, die Linie beschreibt, konstruiert den Raum, verbindet, grenzt ein und aus, verschreibt sich und verliert sich, bietet Halt oder erzeugt Schwindel. Sie ist eine Grenze, die zu überschreiten ordnungswidrig oder gefährlich sein kann, wie die »Yellow Line« am Gleisrand in Up And Down (1998), wie eine Brücke, über die man geht oder von der man sich stürzt wie in Don't Know, oder eine Trennspur im tosenden Verkehr, die im vollends leer geräumten Straßenraum für Psywom(an) zur Leitspur mutiert. Immer ist es diese markante Linie im Raum, die sich ebenso unterschwellig wie unabweislich in die suggestive Aufführung eines potentiellen Überschreitens einschleicht. Als Werkzeug dient die Linie der Konzentration, zum Auslöschen von misslichen Worten sowie zur Ausdehnung im Raster für verlorene Mitteilungen, auch solche über unablässige Bewegungen der Füsse (1993) verschwundener Personen. Und manchmal ist die Linie ein Gegenstand, der alle Konzentration umleitet wie dieses Ribbon (1992) im Haar. Folgt man dem Text, dann beginnt alles mit einer Zeitung, die in folgende handschriftliche Beschreib-ung eingezeichnet ist: »Try to fi nd a story but there is still a story (the man with the ribbon in the hair – reading the newspaper – just sitting here – reading the newspaper”. Auf der linken Seite das nachgerade meisterliche Porträt eines Mannes mit dem besagten Band im Haar. Nur seine Augen sind blind. Der Text ist auffällig flüssig und dynamisch geschrieben, was eher selten ist. Doch beim Versuch, den Text präzise zu verstehen– vor allem bezüglich »the story […] and still a story« – gerät man verstärkt durch die irritierende Abfolge von Klammer und Gedankenstrichen ins Schleudern. Geht es hier um das Band oder um die Zeitungslektüre? Was ist »the story« und was »still the story«? Oder ist nur ›still another story‹ gemeint, und der Künstler hat dies nicht weiter präzisieren wollen? Die blinden Augen lassen annehmen, dass Walde eben gar nicht die Lektüre meint, sondern eher das Band. Womit wir wieder bei der Linie wären, an die sich die Wahrnehmung klammert. Vielleicht ist es aber vor allem die Tatsache, dass der Mann einfach nur ruhig in der U-Bahn sitzt – anders als jener Mann in I'm The Voice (1994), der gewissermaßen als Umriss-zeichnung frontal auf den Betrachter zuschreitet. »Ich bin die Stimme« steht neben ihm, zunächst in Druckschriftformat und Großbuchstaben, dann in auffällig flüchtiger Handschrift wiederholt. Danach geht es weiter wie zuvor. »Manchmal bin ich schneller als die Stimme und spreche der Stimme vor, manchmal sprechen wir zusammen. Manchmal spricht mir die Stimme dazwischen.«(Fortsetzung nächste Seite) |
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Enactments | S. 1, 4, 7, 8, 10 | ||||||
First Scripts | S. 1, 3 | ||||||
White Running Shoes | S. 1, 4 | ||||||
Shoes | S. 1, 2 | ||||||
L.C. / Enactments | S. 3 | ||||||
Der Regen hat (...) Temperatur | S. 3, 10 | ||||||
L.C. / Loosing Control | S. 3, 8 | ||||||
Totaler Stillstand | S. 4 | ||||||
Don't Know | S. 4, 6, 8, 9 | ||||||
Putzen | S. 5 | ||||||
St. Germain | S. 5 | ||||||
On Ground | S. 6 | ||||||
Midnight | S. 6 | ||||||
Angry Man | S. 7 | ||||||
Psywom(an) | S. 7, 9 | ||||||
Drop Card | S. 7 | ||||||
Memory Shots | S. 7 | ||||||
No Man (NOMAN) | S. 7, 8 | ||||||
Writing On Ground | S. 8 | ||||||
Yellow Line | S. 9 | ||||||
Up And Down | S. 9 | ||||||
Füsse | S. 9 | ||||||
Ribbon | S. 9 | ||||||
I'm The Voice | S. 9 | ||||||
AutorInnen: | |||||||
Annelie Pohlen |